Bundeswehr als Multiplayer Titel!

Im Rahmen der Gamescom hat die Bundeswehr mit provokanten Plakaten auf sich aufmerksam gemacht. Und auch ein paar Tage nach der Gamescom lässt mich das Thema nicht los.

Dieses Plakat wurde als Werbung in Köln genutzt. Es war nicht selbst auf der Messe zu sehen, aber eben auf dem Weg dahin. Mein erster Gedanke als ich es auf Twitter sah: “Das kann nicht ihr scheiß Ernst sein!” Einen Multiplayer mit der Bundeswehr vergleichen? Das ist doch wie Äpfel und Birnen. Der kleine Shitstorm der auf Twitter losging war in meinen Augen mehr als verdient.

Dann habe ich mich am Ende der Gamescom mit einem ehemaligen Soldaten darüber unterhalten – und jetzt sitze ich hier, und sehe vielleicht eine ziemlich gute Marketingkampagne. Doch was ist in diesem Gespräch passiert?

Mein Standpunkt war ziemlich eindeutig: das Plakat ist provokant,  es sendet falsche Signale, womit die Bundeswehr vielleicht mit einem Shooter gleichgesetzt – und das Ganze so verharmlost wird. Was geht in deren Kopf vor, die Bundeswehr mit einem Multiplayer zu vergleichen? Wir haben das Gefühl, dass die Bundeswehr ihre Arbeit mit einem Shooter gleich stellt. Bei einem Shooter können wir respawnen, wir können einfach aussteigen, wir können verlieren oder gewinnen. Wir tun keinem weh und wir verursachen keinen Schaden. Aber die Bundeswehr, das sind Soldaten, das sind Männer mit echten Pistolen und echten Gewehren die in echten Kriegen echten Menschen weh tun.

Im Gespräch haben wir uns dann mal mit dem Plakat auseinandergesetzt und ich musste feststellen, dass ich vielleicht sehr vorschnell geurteilt habe. Eigentlich nicht meine Art, aber hier bin ich auf denZug mit Beef und rummotzen und alles schlecht reden mit aufgesprungen. Und das erste bei dem ich hätte skeptisch werden müssen, bzw. weiter hätte nachdenken müssen, wäre, wenn ich das Plakat einmal ganz angeschaut hätte. Unten im Text schreibt die Bundeswehr nämlich ziemlich genau, was für sie Multiplayer bedeutet: Teamwork, Einheit, Zusammenhalt. Hätte ich den Zusatz unten direkt gelesen, wäre ich wohl niemals so böse geworden. Ich wäre immer noch skeptisch, aber nicht so innerlich wütend.

Der Ex-Soldat mit dem ich mich unterhalten habe, hat mich aufgefordert, mir das Bild mal alleine anzuschauen – den Text zu ignorieren und nur das was ich sehe auf mich wirken zu lassen. Und hat gefragt: Was drückt das Bild für dich aus? Und was siehst du? Was stört dich? Und als ich mir das Ganze dann nochmal genauer angeschaut habe, war ich mir nicht mehr so sicher, was mich eigentlich störte. Für mich drückte das Bild eine gewisse Gefahr aus, das Maschinengewehr im Hintergrund ist für mich bedrohlich. Wenn ich Soldaten sehe, denke ich an Kampf. Die Farben könnten eine Explosion sein, oder vielleicht ein Sonnenuntergang? Dann hat er mir erzählt was er sieht: Eine Gruppe von Soldaten, die entspannt in eine Richtung schauen. Sie selbst sehen keine Gefahr, denn sie tragen weder einen Helm, noch eine Mütze. Ich sehe eine Einheit, ein Team. Die Farben vermitteln mir Kraft, Action und Abenteuer. Das Maschinengewehr sehe ich, ist aber einfach Teil der Einheit. Ich sehe Zusammenhalt und Vertrauen.

Ich habe die Frage, was ihr in dem Bild seht auf Twitter gestellt und ein paar Antworten rausgefiltert:

Puhh .. da saß ich sprachlos vor dem Bild. Wo sieht er das? Und dann hat er mir die einzelnen Teile genauer erklärt – warum Soldaten keine Gefahr bedeuten, warum sie keinen Helm tragen und was das bedeutet, was die Farben für eine Stimmung vermitteln und wir endeten in einem Gespräch über die Bundeswehr an sich und über seine Zeit bei der Bundeswehr. Und schnell merkte ich, vielleicht ist die Bundeswehr der realistischste Multiplayer.

Und wenn wir einmal nachdenken würden, und nicht gleich einen Twitterbeef anzetteln würden – würden wir vielleicht auch merken, dass das Wort Multiplayer so viel mehr bedeutet. Denn, was heißt Multiplayer eigentlich? Eigentlich heißt es nur etwas miteinander zu machen. Im Gamingbereich heißt es miteinander spielen, ohne dabei ein Genre zu meinen. Es heißt zusammen sein, Spaß haben, etwas gemeinsam aufbauen oder erreichen, ein Ziel verfolgen. Den Bezug zum Shooter haben wir in unseren Köpfen gebildet, als wir das Bild gesehen habe. Die Kombination aus Bild und Slogan (“Mulitplayer at it’s best”) bringen bei uns die Verbindung zum Shootergenre – und das hat die Bundeswehr bewusst provoziert. Darf sie das? Ja! Denn, ein Shooter ist nicht gleich Töten, Schießen und Gewalt. Er ist auch Teamarbeit, Zusammenhalt, Verteidigung und Überleben. Wusstest du, dass die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee ist und in den meisten Fällen mit Krieg und Töten nichts zu tun hat? Das sie in anderen Ländern da ist, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten? Das sie dort Einwohner vor den Bösen verteidigt? An all das habe ich nicht gedacht – teilweise auch nicht so wirklich gewusst.

Das Wort Multiplayer löst also bei vielen (wenn sie das Bild sehen) eine Verbindung zum Shooter-Genre aus. Aber sind Rocket League, Stardew Valley, Landwirtschaftssimulator und ARK nicht auch Multiplayer? Und das Bild? Zeigt eine Gruppe junger Männer die gemeinsam in eine Richtung blicken. Die Kombination ist es also die uns rebellieren lässt. Und vielleicht ist nicht das Plakat das Problem, sondern unsere Denkweise und unser vorschnelles Urteilen. Mit der Kampagne möchte die Bundeswehr Jugendliche und junge Erwachsenen ansprechen, sie aufmerksam auf die Bundeswehr machen und nutzt dazu ihre Sprache. Das ist eine absolut normale Marketingstrategie. Das diese Worte für die Bundeswehr auch Bedeutung haben, nur in in einem anderen Kontext,  lassen wir irgendwie außen vor. Dieser ganze Twitter-Beef hat nicht einmal versucht zu verstehen, sondern nur gesehen was er sehen wollte. Denn eigentlich sollte jedem klar sein, dass die Bundeswehr sich nicht mit einem Spiel gleich setzt. Sie wissen sehr wohl, dass es keinen Respawn-Knopf gibt und ihr Job kein Spiel ist. Und das ist auch das Erste was sie dir vermitteln, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt.

Natürlich gibt es ein paar Punkte, die für mich jetzt immer noch schwierig sind: Können Jugendliche oder junge Erwachsene ein Plakat so differenziert betrachten? Kann man ohne Hintergrundwissen das Plakat verstehen? Welches Bild wirft das auf uns Gamer, schließlich werden wir doch sowieso schon als tickende Zeitbomben betrachtet? Haben die Macher des Plakats das alles bedacht?

Was mich aber am meisten stört an dieser Internethetze ist, dass niemand irgendwas hinterfragt. Das Ganze geht sogar soweit, dass jemand dieses Bild postet:

99% der Leute halten es für echt. Dabei ist es nur Photoshop. Auf den ersten Blick können wir, die wir eine Medienprofis sind, nicht erkennen, ob es fake ist oder nicht. Wenn man aber genau hinschaut erkennt man sofort, dass unten die Beschreibung fehlt, wie sie auf den original Plakaten zu sehen ist. Umso trauriger finde ich, dass Online – Zeitungen und Blogs dies ungeprüft übernehmen. Die Frankfurter Rundschau zum Beispiel hat dieses Plakat übernommen und über die Geschmacklosigkeit der Kampagne gesprochen. Im Nachhinein haben sie den Artikel wieder raus genommen und geschrieben, dass sie auf einen Fake reingefallen sind. Und auch Just Stevinho kritisiert die Kampagne und gibt das Bild ungefiltert an seine Leserschaft weiter. Nun – kann man machen, ist halt nur absoluter Bullshit.

Vielleicht sollten wir nicht so schnell alles schlecht reden und hassen und Dinge an den Pranger stellen, sondern uns mal wirklich mit ihnen auseinandersetzen?

Wer sich zu diesem Thema mal etwas anschauen mag und wissen möchte, was die Bundeswehr auf der Gamescom eigentlich macht, kann sich den Livestream von ThisEguy (https://www.twitch.tv/thiseguy) anschauen, denn er hat genau das gefragt:

Zu diesem Thema wird es diese Woche noch einen Podcast geben, in dem ich mich mit dem bereits erwähnten Ex-Soldaten über das Thema unterhalte und euch einen noch genaueren Einblick in unterschiedliche Sichtweisen gebe. Außerdem werden wir darüber reden warum die Bundeswehr hier vielleicht ein ausgesprochen gute Werbekampagne gefahren hat, die viel harmloser ist, als der Twitter-Beef vermuten lässt.

7 Kommentare

  1. Wieder mal sehr gut geschrieben, gerade auch der Punkt, dass die Leute als Erstes den Shooter-Vergleich gezogen haben, obwohl die BW ja noch ganz andere Dinge in Bezug auf Hilfe macht.

    Aber ist halt auch der Herdentrieb im Internet… einer fängt damit an und jeden Menge ziehen mit ohne erstmal die Fakten dahinter zu klären… hatte man ja auch an der Fortnit-Affäre gesehen.

    Das Schlimme ist aber, dein Artikel, der das alles in ein anderes Licht rückt, lesen vermutlich nur ein Bruchteil von den, die sich über die Plakate aufgeregt haben.

    Noch Schlimmer ist, das einige der Artikel nicht interessiert weil “Wie, jetzt gibs doch kein Beef mit der BW?” .

    1. Hey,
      ja -viele haben ihn gelesen, aber vertreten trotzdem den gleichen Standpunkt. Das ist aber grundsätzlich ok. Man darf unterschiedliche Meinungen haben. Ob es nur daran liegt, dass es dann keinen Beef mehr gibt? Da bin ich mir nicht sicher – ich denke es hängt viel mehr mit dem Bild von der Bundeswehr, das die Leute im Kopf haben, zusammen.

      Keine Ahnung.

      Lg, Falballa

  2. Hallo Falballa,

    ich habe von dem Plakat erst durch den Shitstorm erfahren. Als ich den Spruch las habe ich Bundeswehr und Multiplayer tatsächlich mit Teamwork verbunden. Was bei mir ein Schulternzucken naja ok erzeugte. Danach fiel mir das Maschinengewähr auf, was mich störte und als ein Versuch cool zu wirken verband. Warum man sich über das Plakat aufregt habe ich nicht verstanden und es für mich abgehakt Mich interessierte mehr die Frage warum die BW auf der Gamescom ist, als das Plakat. Das Kleingedruckte habe ich erst nach deinem Artikel gelesen.

    Du hast dich anscheint über das Plakat aufgeregt und ich finde es gut das du den Grund dafür hinterfragst. Dein Artikel fand ich spannend. Aber drei Sätze möchte ich Zitieren welche mich stören.

    1. „die Bundeswehr … das sind Männer mit echten Pistolen …“ Es gibt auch Frauen, welche an der Waffe dienen! Beim lesen irritierte mich dieser Stereotyp, nach dem lesen frage ich mich ob es Unkenntnis ist?

    Die 2. Stelle ist „ reine Verteidigungsarmee … in den meisten Fällen mit … Töten nichts zu tun hat?“ Eine Armee hat die Aufgabe zu töten, in der Zeit wo sie dies nicht tun erzeugt sie eine Drohung das sie töten könnte. Mit dem Präfix Verteidigung geben wir nur das Versprechen das wir nicht zuerst angreifen. Auch in Ausland erzeugt sie (unsere) Ordnung mit der Drohung zu töten.

    Am meisten stört mich die Vereinfachung „Das sie dort Einwohner vor den Bösen verteidigt?“ Natürlich ist der Feind Böse! Und für den Feind sind wir die Bösen.

    Abschließend möchte ich noch sagen das ich die Existenz einer Armee als notwendig empfinde. Dafür müssen Soldaten rekrutiert werden. Was mich zur Frage zurückwirft „ist es in Ordnung das die Bundeswehr auf der Gamescom ist“.

    Bereits letztes Jahr wurde über die BW auf der GC gemeckert. Damals ging es über die viel zu laute Musik auf dem Stand. Damit verglichen hat die BW diesmal deutlich bessere Aufmerksamkeit erhalten.

    1. Hallo poiPool,

      danke für Antwort. Ich denke auch, dass viele erst auf das Plakat aufmerksam geworden sind durch Twitter – und das meist in einem negativen Zusammenhang. Die Reaktion die du hattest “Teamwork” haben tatsächlich einige gehabt, aber im gesamten nur ein Bruchteil.

      Ich möchte auf deine Punkte eingehen:

      1) Ich weiß, dass auch Frauen bei der Bundeswehr sind. Aber ich muss gestehen, dass das nicht in meinem Kopf manifestiert ist. Und ich wage zu behaupten, 95% der Leute denken auch zuerst an eine Truppe Jungs. Ist in meinem Kopf tatsächlich sehr stark mit Männern verbunden.

      2) Eine Armee hat nicht immer die Aufgabe zu töten. Eine Armee hat auch die Aufgabe zu verteidigen und zu sichern. Ich würde behaupten, dass ein Großteil der Soldaten mit Töten nichts zu tun hat. Das Versprechen das wir nicht zuerst angreifen finde ich aber elementar. Weil es eben nicht ausdrückt – wir sind bereit zu töten, sondern ein: Wir tun nichts, wenn ihr uns nichts tut. Wir sind friedlich und werden nur gefährlich wenn wir unser Leben oder unser Land verteidigen müssen. Das ist ein Unterschied in der grundsätzlichen Einstellung, den ich doch sehr erheblich finde. Im Ausland zum Beispiel finde ich auch nicht, dass sie mit der Androhung zu töten Ordnung schaffen.
      Du sagst “Natürlich ist der Feind böse” .. klar, sonst wäre er nicht Feind, sondern Freund. Aber auch dort finde ich, ist ihre Hauptafugabe den Menschen zu helfen wichtige Dinge wie gesellschaftliche Ordnung und Infrastruktur wieder herzustellen. Humanitäre Arbeit eben. Die nur ausgeweitet wird, wenn notwendig.

      Ob ich es gut finde, dass die Bundeswehr auf der GC ist, weiß ich nicht. Mein Gefühl sagt mir eher, nicht ganz richtig dort – aber mich persönlich hat es nicht gestört. Sie haben Techniken und Mechaniken gezeigt – und das sind Dinge, für die Gamescom Besucher tendenziell empfänglich sind. Sie sind außerdem so positioniert auf der GC, dass man sie sehr gut übersehen kann.

      Ein sehr schwieriges Thema, bei dem man unterschiedliche Meinungen und Empfindungen akzeptieren muss.

      Lg, Falballa

  3. Ich war ja selber bei dem Verein, zu einer Zeit, als es noch die Wehrpflicht gab. Heute ist die Bundeswehr eine Berufsarmee und die muss natürlich werben um Menschen für ihre Sache zu gewinnen. Das ist nicht verwerflich, andere Armeen tun das auch, nur in Deutschland ist das noch recht jung – sieht man es im Vergleich zur ehemaligen Wehrpflicht. Ob die BW immer den richtigen Weg wählt, lasse ich mal im Raum stehen. Sie fährt teilweise ziemlich aggressive Multimedia-Kampagnen. Die Bundeswehr ist und war nie ein Spielplatz für große Jungs, die ein Abenteuer suchen. Rambos sind schon damals bei der Musterung mit T5 verabschiedet worden. Zusammenhalt und Kameradschaft ist aber das zentrale „Ding“ bei dem Verein und das drückt das Plakat meiner Meinung auch aus. Das ist wichtig, denn keiner zieht allein in den Krieg und Kameradschaft vermittelt dir das Gefühl von Sicherheit. Man steht füreinander ein und das funktioniert.

    Ich war bei der Marine (U-Boot). Auf kleinem Raum mit vielen Menschen alles zu teilen, manchmal sogar den Schlafplatz, kostet unheimlich viel Energie. Ok, es gab immer viel zu essen, trotzdem nahm man nicht zu. Das war Stress pur und kein Abenteuerspielplatz unter Wasser. An seine Grenzen zu geraten ist sicherlich keine schlechte Erfahrung, nur eben auch kein Selbstfindungskurs. Ich finde deinen Beitrag sehr gut, da er differenziert. Trotzdem möchte ich mit meinem Kommentar anmerken, dass Soldatinnen und Soldaten fernab von Plakaten und Multimediakampagnien ihr Leben aufs Spiel setzen – auch wenn alles so schön kameradschaftlich daher kommt.

    Persönlich finde ich es aber nicht richtig, Soldatinnen und Soldaten auf Messen oder anderen Veranstaltungen als Übel dieser Welt zu betrachten. Diese Menschen sind bereit ihr Leben zu opfern um unser Land zu verteidigen oder in Krisengebieten Hilfe zu leisten. Eine Welt ohne Millitär wird es, auch wenn sich das viele Menschen wünschen, nie geben.

    1. Hallo Parkrausch!

      Toller Kommentar! Einen Punkt den viele vergessen. Sie verteidigen unser Leben. Sie sterben im Zweifel, damit du und ich überleben.

      Auch finde auch den Ruf den die Bundeswehr genießt sehr schade. Man sollte sie kritisch betrachten, und es ist auch ok, wenn sie für einige befremdlich ist, denn es ist eben nicht Teil unseres Alltags. Aber in Amerika sind Soldaten Helden, hier sind sie die Bösen. Komplett verdrehte Ansicht.

      Lg, Falballa

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