Zieh den Stock aus dem Arsch

Zieh den Stock aus dem Arsch
Grafiken via https://pixabay.com

Heute gab es auf Twitter eine Diskussion, die mich den ganzen Tag nicht losgelassen hat, deswegen hier nochmal ein Beitrag dazu.

Eine Streamerin hat gepostet, dass sie ab nun, jedem einen Copyright Claim geben wird, der sie nicht vorher fragt, ob er ihre Clips für Compilations verwenden darf.

Ich weiß, das ist keine populäre Meinung und sie geht damit gegen die Meinung vieler anderer, aber eigentlich sollte das keinen stören. Dann ist sie halt ein bisschen strenger. Aber warum in Gottes Namen wird diese Streamerin jetzt angegriffen, “sie solle sich mal nicht so anstellen und immerhin sei es kostenlose Werbung für sie”. Und außerdem, sie verdient ihr Geld doch auch mit Content, den sie nicht gemacht hat. Was ist also ihr Problem?

Ok, wo liegt eigentlich das Problem?

Das Problem ist, dass jemand auf sein Recht besteht, und das ist in den letzten Jahren sehr unpopulär geworden. Wenn einfach jeder alles nutzen darf, vor allem aus dem Internet, dann ist das doch ok, wenn jeder das darf. Jetzt besteht aber jemand auf sein Recht, und sofort wird ein “Shitstorm” gestartet. Das Problem ist aber nicht die Streamerin, die auf ihr Recht besteht, sondern die, die das Recht anders auslegen oder nicht anerkennen.

Um welches Recht geht es hier eigentlich?



Das Recht am eigenen Bild ist hier das entsprechende Gesetz.
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt.”  § 22 KUG

Quelle: Urheberrecht.de

Und wenn dort von Entlohnung gesprochen wird, dann werden damit nicht die Twitcheinnahmen gemeint. Dabei geht man davon aus, dass der Fotoersteller mit der abgebildeten Person einen Vertrag hat, wie z.B. bei Models, Schauspielern oder ähnlichen.

Damit ist ganz klar, die Streamerin hat ein Recht. Und die Streamerin hat ja nicht gesagt, dass sie jeden sofort striked, sondern nur solche, die sie nicht fragen. Wenn jemand also Geld damit verdienen möchte und diese Compilations monetarisieren möchte, dann ist das ein Geschäft. Und bei einem Geschäft sollte man sich die Zeit nehmen solche bürokratischen Dinge durchzuführen. Ein Ersteller dieser Compilations hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet, und gesagt, dass er 480 Streamer bisher um Erlaubnis angeschrieben hat. Es geht also, man muss nur wollen. Außerdem hat sie gesagt, dass sie in 99% der Fälle zusagt, sie will es einfach nur wissen.

Also, wo ist jetzt das Problem?


Das Problem ist zum einen, dass dieser Streamerin, oder grundsätzlich auch allen gesagt wird, dass sie schließlich ihr Geld auch nur mit dem Content anderer verdienen – und zwar dem spielen von Spielen die sie nicht entwickelt haben. Ja, stimmt – ich hab das Spiel nicht entwickelt. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich mindestens 50% meiner Spiele aktuell vom Entwickler zur Verfügung gestellt bekomme, um sie zu streamen. Damit habe ich eine schriftliche Erlaubnis. Viele Entwickler haben außerdem den Markt und Trend erkannt und helfen dir, dich abzusichern. EA zum Beispiel hat eine Duldungserklärung auf ihrer Seite implemeniert: https://www.ea.com/de-de/service/youtube-duldungserklaerung

Dort kannst du dir einfach eine persönliche Erklärung ausstellen, um dich abzusichern.
Als ich Google dazu befragt habe, war direkt der zweite Link eine ausführliche Liste mit Entwicklern, die eine solche Erklärung zur Verfügung stellen: http://letsplay.amigalink.net/duldungserklaerungen/oeffentliche-duldungserklaerungen/

Die Aussage, dass sie also ebenfalls gegen Recht verstößt ist somit in den meisten Fällen falsch. Diese Duldungserklärung kann jederzeit zurückgezogen werden und ist reine Kulanz seitens der Entwickler, da diese den aktuellen Trend in ihre Werbekampagnen einschließen. Das Urheberrecht liegt aber immer noch bei ihnen. Ja, es gibt einzelne Entwickler, die dies nicht möchten, und die bestehen eben auf ihr Urheberrecht.

Was ist das Urheberrecht?

“Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.”  § 1 UrhG

Quelle: Urheberrecht.de

Wer dazu mehr lesen möchte, kann dies hier tun (im speziellen auch das Urheberrecht von Spielen): Erklärung Urheberrecht https://www.urheberrecht.de/urheberrechtsgesetz/

Ergo ist die Situation also so, dass die Spieleentwickler aus Kulanz und für Werbezwecke die Nutzung für Let’s Plays und Streams zulassen. Trotzdem hat die Streamerin, und natürlich auch jeder andere auf Twitch, ein Recht an seinem eigenen Bild. Das wird dadurch nicht ausgehebelt.

Und wer jetzt argumentiert, dass die Streamerin doch die gleiche Kulanz zeigen solle, und sich nicht so anstellen soll, oder gar “ihren Stock aus dem Arsch” nehmen solle, der darf das ruhig so denken, ist aber halt unreflektiert.

Natürlich kann man diese Compilations als Werbung ansehen: Sowohl Youtube-Zuschauer als auch Twitch-Zuschauer werden die Clips sehen und vielleicht einschalten. Vielleicht. Denn auf die Darstellung in dieser Compilation hast du keinen Einfluss. “Man muss auch mal über sich selbst lachen können!” Klar, das ist wichtig. Aber darum geht es nicht.

Als vor kurzem jemand sich die Mühe machte und aus alten Bildern ein Coca-Cola Plakat imitierte, brüskierte sich die AfD und Coca-Cola nahm dies lächelnd hin. Der Gegenschlag aber, ein Plakat von Pepsi nach zu machen und für die AfD zu stimmen, wird jetzt rechtliche Konsequenzen haben. Ganz einfach weil Pepsi mit der Meinung die dort verbreitet wird nicht in Zusammenhang gebracht werden möchte. Sie möchten so nicht dargestellt werden. Und das ist ihr gutes Recht.

Wo ist also das Problem?

Das Problem ist, dass zwei Meinung aufeinander treffen, und man nicht akzeptieren möchte, dass jemand nein sagt. Wobei nicht nein gesagt wird, sondern einfach darum gebeten wird, zu fragen. Warum muss man dann aber auf Twitter so dagegen wettern? Warum muss man die Person persönlich angreifen?

Weil wir im Internet sind, und es ein Trend ist. Jeder der anders denkt, wird erst einmal schön kritisiert. Ob die Person Rechte hat oder einfach nicht mag, spielt keine Rolle, weil ich das anders sehe. Hat sich jemand die Mühe gemacht und gefragt: Warum hast du dich dazu entschieden? Nein, weil es am Ende des Tages doch keinen interessiert. Das Internet ist wie ein Schulhof, und die Kinder mit Meinungen, die nicht hip sind, oder die Streber sind, die werden halt immer ein bisschen geschubst.

Ich wollte mich aus der Diskussion eigentlich raushalten, weil ich der Meinung bin “Leben und Leben lassen”. Ich persönlich zum Beispiel finde die Compilations gut (auch wenn ich oft als Noob dargestellt werde), und habe kein Problem damit. Ich kann aber auch jeden verstehen, der das nicht möchte – aus welchem Grund auch immer. Jeder soll seinen Kanal und seine Marke so führen wie er möchte. Und selbst wenn wir argwöhnisch auf andere schauen und uns fragen “Warum nur?”, dann geht es uns am Ende des Tages einfach nichts an. Solange die Personen nicht gegen Richtlinien oder Gesetze verstoßen, ist es einfach dein persönliches Problem, dass du die Meinung eines anderen nicht akzeptierst. Nicht der Ausgangstweet ist das Problem, sondern deine eingeschränkte Wahrnehmung und Toleranz. Und am Ende des Tages, steht deine Meinung so im Netz – unreflektiert, überzogen, und argwöhnisch.

Just my 2 cents.

Dies ist keine Rechtsberatung oder – belehrung, sondern einfachste Google-Recherche. Sollte ich Fehler in der sachlichen und gesetzlichen Darstellung haben, bitte ich darum mich darauf hinzuweisen.

 

6 Kommentare

  1. So weit, so gut. Nur leider kein Wort zum Zitatrecht. So grundsätzlich kann man die Verwendung solcher Clips nicht verbeiten. Wenn ich mich nicht irre spielt es bezüglich Urheberrecht außerdem eine Rolle, was genau ein*e Streamer*in tut, also wieviele eigene “kreative Leistung” einfließt. In der Regel dürften solche Urheberrechtsforderungen zwar berechtigt sein, aber eben nicht immer.
    Und bei der Frage nach dem Recht am eigenen Bild stellt sich die Frage, ob das nicht auch durch die freiwillige Veröffentlichung des Bildes eingeschränkt wird.

      1. Es hieß, die Streamerin würde jedem einen Copyrightclaim geben, der ihre Clips verwendet, nicht nur denen, die eine Compilation erstellen. Die vom Zitatrecht betroffenen Fälle mögen vielleicht nicht im Fokus des Artikels stehen, sind aber dennoch relevant.

        1. Das Thema ist tatsächlich relativ komplex. Habe im Internet bisher nur das gefunden:
          § 51 UrhG – Zitate

          Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

          1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,

          2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,

          3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.

          Hinweis: Wissenschaftliche Werke sind solche, die versuchen methodisch-systematisch, ernsthaft und belehrend ein Thema zu ergründen. Dazu gehören nicht nur „ernsthafte“ Fachbücher oder studentische Hausarbeiten, sondern auch leichtere Kost der „Populärwissenschaft“. Ein Beispiel hierfür ist dieser Blogbeitrag.

  2. Die Anforderungen an ein Bildzitat sind sehr viel höher als an ein Textzitat. Wie der Kommentator „blub“ schon richtig schreibt: „Eine Aneinanderreihung von Clips zu einer Compilation wird nicht vom Zitatrecht abgedeckt.“

    Ich beziehe mich im folgenden auf Musikrechte.

    Das Urheberrecht ist schon sehr alt und muss meiner Meinung nach dringend reformiert werden, aber nicht in die Richtung „alles für lau“. Wir brauchen andere Lizenzmodelle und neben der GEMA noch eine andere Verwertungsgesellschaft, damit die „Gemavermutung“ nicht mehr gilt. Kurz erklärt: Man muss in Deutschland nachweisen, dass die verwendete Musik in z.B. Streams nicht zum GEMA-Repertoire gehört – egal ob sie als Royalty Free oder Creative Commons ausgezeichnet ist. Zudem höre ich gerade von großen Streamern häufig: „Kauft euch doch eine GEMA-Lizenz und gut ist.“ Das wäre wirklich super, nur so einfach ist das nicht. Nicht jeder Musiker schreibt seine Texte selbst. Auch wenn die GEMA die Textdichte wahrnimmt, so gilt das nur für in Deutschland angemeldete Titel, lebt der Texter in einem anderen Land wird es schon schwierig. Das gilt natürlich auch für die Musik.

    Weiterhin fällt mir auf, das gerade die großen Streamer sich eine GEMA-Lizenz geklickt haben und Musik spielen, die gar nicht zum GEMA-Repertoire gehört. So einfach ist das eben nicht mit der GEMA und einer „ich darf jetzt alles an Musik spielen“ Lizenz.

    Ich finde deinen Artikel sehr gut, da er aufzeigt das Urheberrechte passee nichts schlechtes sind. Seine eigene Kreativität kann man jederzeit ausleben, auch wenn man dazu das Material von anderen nutzt – das ist nicht strafbar. Veröffentlicht man das aber, versteht es sich von selbst den oder die Urheber des verwendeten Materials um Erlaubnis zu fragen. Im Musikbereich ist das zugegeben nicht so ganz einfach, gerade wenn es um Samples geht, aber im Videobereich dürfte das eigentlich kein Problem sein. Von daher verstehe ich die Streamerin.

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